Überschuldung und Verbraucherinsolvenzen
Für viele überschuldete Privatpersonen ist ein Insolvenzverfahren unumgänglich, um die eigene finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen. In Niedersachsen gab es 2019 insgesamt 9.247 solcher Verbraucherinsolvenzen. Gegenüber 2014 ging die Zahl zwar um fast ein Viertel (-27,3%; bundesweit -31,3%) zurück, und die Quote je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner sank von 14,9 auf 11,6 Insolvenzen. Dennoch war dies hinter Bremen immer noch der zweithöchste Länderwert; bundesweit sank die Quote von 10,7 auf 7,5 zudem auch relativ gesehen stärker.
In der Statistischen Region Hannover wiesen bis auf Diepholz alle Landkreise überdurchschnittlich hohe Verbraucherinsolvenzquoten auf. In den anderen Statistischen Regionen war das Bild weniger eindeutig. In der Statistischen Region Weser-Ems gab es insbesondere in den kreisfreien Städten viele Insolvenzen je Einwohnerin und Einwohner, die niedersachsenweit meisten in Wilhelmshaven (29,2). Im Großteil der dortigen Landkreise gab es hingegen unterdurchschnittliche Quoten und in der Grafschaft Bentheim die relativ gesehen niedrigsten in Niedersachsen (4,9). Die durchschnittlichen Forderungen je Fall betrugen im Land rund 33.000 Euro (Bundesdurchschnitt: 42.000 Euro).
Ob das Verfahren zum Erfolg führte und die Schuldnerinnen und Schuldner von der Restschuld befreit wurden und einen finanziellen Neustart begehen können, kann erst am Ende des sieben Jahre dauernden Verfahrens festgestellt werden. (In der Regel dauert die Wohlverhaltensphase sechs Jahre, nach der anschließend eine richterliche Entscheidung zur Restschuldbefreiung zu fällen ist.) Von den 13.738 Privatpersonen, deren Insolvenzverfahren 2011 eröffnet wurde, konnten sich 87,2% mit der gerichtlichen Entscheidung zur Erteilung der Restschuldbefreiung bis Ende 2018 ihrer Schulden komplett entledigen.
Hilfe können Schuldnerinnen und Schuldner sich bei 268 niedersächsischen Schuldnerberatungsstellen einholen (bundesweit rund 1.450). (vgl. Statistische Berichte Niedersachsen (LSN): O IV- j/2019, Überschuldung 2019, S. 4. Bundesweite Zahl: vgl. Statistisches Bundesamt: Statistik zur Überschuldung privater Personen 2019, Fachserie 15, Reihe 5, 2020, S. 3.) Diese werden vom Land entsprechend der Fallpauschalen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) finanziert. 2019 wurden hier hochgerechnet 86.464 Personen beraten, wovon aber nicht zwangsläufig alle überschuldet waren. Als Hauptursachen für Überschuldung galten nach den Daten der Schuldnerberatungsstellen Arbeitslosigkeit (23,1%), Trennung, Scheidung oder Tod der Partnerin oder des Partners (13,5%), Erkrankung, Sucht, Unfall (15,0%), unwirtschaftliche Haushaltsführung (12,6%) und gescheiterte Selbstständigkeit (6,7%). Von den Beratenen waren 40,9% arbeitslos und 22,0% anderweitig nicht erwerbstätig. Mit 48,4% hatten fast die Hälfte der Beratenen keine Berufsausbildung, und etwas mehr als ein Drittel (35,5%) waren jünger als 35 Jahre.
Definition des Indikators: Bei natürlichen Personen liegt Überschuldung vor, wenn es der betroffenen Person nicht möglich ist, ihre Schulden innerhalb eines überschaubaren Zeitraums unter Einsatz vorhandenen Vermögens und freien Einkommens zu bezahlen, ohne dabei die eigene Grundsicherung zu gefährden.
Erst wenn keine gütliche Einigung mit den Gläubigerinnen beziehungsweise Gläubigern zu erreichen ist, können sich Schuldnerinnen und Schuldner durch ein Verbraucherinsolvenzverfahren von der Restschuld nach einer Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren befreien. Wenn die Gläubigerinnen beziehungsweise Gläubiger 35% ihrer Forderung mit der Insolvenzeröffnung erhalten,
ist dies nach drei Jahren möglich oder nach fünf Jahren, wenn die Verfahrenskosten abgetragen werden.
Methodische Hinweise: Da nicht alle überschuldeten Personen die Dienste von Schuldnerberatungsstellen beanspruchen, ist die Gesamtzahl der überschuldeten Personen oder Haushalte in der Statistik untererfasst.
Weiterführende Informationen: Anhang, www.statistik.niedersachsen.de > Themen > Unternehmen Gewerbeanzeigen, Insolvenzen; und Haushalte und Familien, Mikrozensus Statistischer Bericht O IV - j / 2018 Überschuldung
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2021