Verdienste und "working poor"
Der Bruttostundenverdienst der voll- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich lag 2019 in Niedersachsen mit Sonderzahlungen bei 23,43 Euro. Das waren 5,4% weniger als im Bundesdurchschnitt, der 24,78 Euro betrug. Erklärt werden kann der niedrigere Wert zum Teil damit, dass es in Niedersachsen anteilig mehr an- und ungelernte Kräfte unter den Beschäftigten gibt. Auch tragen die unterschiedlichen Produktivitätsniveaus in den Ländern zur unterschiedlichen Höhe der Verdienste bei. (Klemt, Sandra/Lenz, Sabine: Verdienste, in: Statistisches Bundesamt (Destatis)/ Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) (Hrsg.): Datenreport 2018, Bonn 2018, S. 169f.)
Als Maßzahl für den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern wird der Gender Pay Gap herangezogen. Dieser errechnet sich aus der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer und der Frauen im Verhältnis zu dem der Männer (hier jeweils - anders als die zuvor genannten Verdienste - ohne Sonderzahlungen). In Niedersachsen lag der unbereinigte Gender Pay Gap 2020 bei 19% (Das heißt, ohne Berücksichtigung struktureller Unterschiede bei Berufen, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand, Berufserfahrung). Frauen verdienten durchschnittlich 17,62 Euro und Männer 21,72 Euro. Auf Bundesebene lag der Gender Pay Gap 2020 bei 18%. Fünf Jahre zuvor betrug die Verdienstlücke in Niedersachsen als auch in Deutschland insgesamt noch 22%. Der bereinigte Gender Pay Gap, der vergleichbare Tätigkeiten, Qualifikation, Leistungsgruppe, Dienstalter und Beschäftigungsumfang berücksichtigt, lag 2018 (Basis: vierjährliche Verdienststrukturerhebung) in Niedersachsen auf dem Bundesniveau von 6%.
Normalarbeitnehmerinnen und -nehmer hatten im April 2018 (Daten nach Beschäftigungsform liegen nur alle vier Jahre vor) in Niedersachsen mit 20,93 Euro deutlich höhere Bruttostundenverdienste als atypisch Beschäftigte mit 14,30 Euro. Insgesamt ergab sich ein Niedriglohnanteil unter den Beschäftigungsverhältnissen gemessen an der Niedriglohnschwelle von 11,05 Euro Stundenlohn von 24% (+1 Prozentpunkt gegenüber 2014). Bei den atypisch Beschäftigten war der Anteil mit 45% fast doppelt so hoch. Im Gastgewerbe lagen rund drei Viertel (74%) der Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnbereich, im Gesundheits- und Sozialwesen waren es ein Fünftel (20%).
Die atypischen Beschäftigungsverhältnisse haben auch Auswirkungen auf die Höhe der Zahl der erwerbstätigen Beziehenden von SGB II-Leistungen ("working poor"), wovon es im Juni 2019 in Niedersachsen 102.853 gab (Frauenanteil: 51,6%). Gegenüber dem Vorjahresmonat verringerte sich die Zahl der so genannten Ergänzerinnen und Ergänzern um 6,7% und die Quote, bezogen auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, ging weiter zurück auf 2,0%, was etwa dem Bundesniveau (1,9%) entsprach. Mit 52.717 der Erwerbstätigen SGB II-Leistungsbeziehenden ging mehr als jede beziehungsweise jeder zweite einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, darunter über ein Fünftel (22,4%), in Vollzeit (ohne Auszubildende). Mit Blick auf die Familiensituation zeigt sich, dass 16,8% der erwerbstätigen SGB II-Leistungsbeziehenden alleinerziehend waren mit mindestens einem minderjährigen Kind.
Definition des Indikators: Der Bruttostundenverdienst umfasst den (regelmäßig gezahlten) steuerpflichtigen Arbeitslohn gemäß den Lohnsteuerrichtlinien zuzüglich sonstiger Bezüge sowie steuerfreier Zuschläge. Beschäftigungsformen sind danach: Vollzeitbeschäftigte oder Beschäftigte mit mehr als 20 Stunden pro Woche (Normalarbeitnehmerinnen und -nehmer) und "atypisch" Beschäftigte (Teilzeit unter 21 Stunden / befristet / geringfügig / Zeitarbeitnehmer (Quelle: Verdienststrukturerhebung 2018). Erwerbstätige Bezieherinnen und Bezieher ("Geringverdienende") von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erzielen ein Einkommen aus selbstständiger oder abhängiger Beschäftigung, das jedoch für den Lebensunterhalt nicht ausreicht.
Methodische Hinweise: Erwerbstätige werden abgegrenzt als Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren, die nicht Auszubildende sind. Im Unterschied zum Mikrozensus können in der Verdienststrukturerhebung Schülerinnen und Schüler sowie Studierende nicht erkannt und aus den Erwerbstätigen ausgeschlossen werden. Eine Eingrenzung auf Haupttätigkeiten ist nicht möglich, sodass auch Nebenjobs mitgezählt werden.
In die Berechnung des Gender Pay Gaps wurden alle Beschäftigten nach der EU-Abgrenzung (Beschäftigte ohne die Wirtschaftszweige "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei" und "Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung" und ohne Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten) einbezogen.
Niedriglohn: Gesamtbruttoverdienst je bezahlte Stunde ist kleiner als die Niedriglohnschwelle (2018=11,05 Euro; 2014=10,00 Euro), die bei zwei Dritteln des Medianverdienstes aller einbezogenen abhängigen Beschäftigungsverhältnisse liegt.
Weiterführende Informationen: siehe Anhang
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2021