Kinder und Jugendliche
Armutsgefährdung und problematische Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen haben vielfältige Ursachen. Sie sind unter anderem auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Problemlagen beziehungsweise Strukturen sowie erzieherische Mangelsituationen zurückzuführen. Dabei spielen die individuelle Situation und die Bewältigungskompetenz der Eltern die entscheidenden Rollen.
Ein wichtiger Indikator, der Hinweise auf das Ausmaß schwieriger Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen gibt, geht aus der Jugendhilfestatistik über Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Hilfe für junge Volljährige hervor. Auf Hilfe zur Erziehung haben Eltern beziehungsweise Personensorgeberechtigte nach § 27 Abs. 1 SGB VIII Anspruch, "(…) wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist." Eltern können sich dabei selbst an das Jugendamt wenden oder das Jugendamt kann die Inanspruchnahme von Hilfen empfehlen, wenn es Unterstützungsbedarf sieht. Darüber hinaus haben seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie junge Volljährige Anspruch auf Unterstützungen.
In Niedersachsen wurden 2020 insgesamt 100.666 erzieherische Hilfen gewährt (beendete Hilfen und Hilfen zum Stichtag 31.12. zusammen), und damit 4,1% weniger als im Vorjahr. Der Rückgang nach jahrelangem Anstieg ist vermutlich auf die erschwerten Bedingungen der Jugendhilfearbeit durch die Pandemiesituation zurückzuführen. Zu sehen war dies insbesondere bei den Erziehungsberatungen (§ 28 SGB VIII), die im ersten Corona-Jahr mitunter verstärkt rein telefonisch angeboten wurden, bis einschließlich 2021 jedoch nicht in die Statistik eingegangen sind. (Siehe Statistisches Bundesamt (Destatis): 5% weniger erzieherische Hilfen im Corona-Jahr 2020, Pressemitteilung vom 29. Oktober 2021, www.destatis.de)
Die Jugendhilfestatistik gibt auch Auskunft über vorläufige Schutzmaßnahmen des Jugendamtes, die eine gravierende Intervention im Krisenfall darstellen. Hier können Erkenntnisse über die Anzahl von Kindern und Jugendlichen gewonnen werden, die wegen einer dringenden Gefährdung oder auf eigenen Wunsch vom Jugendamt in Obhut genommen werden (§ 42 und § 42a SGB VIII). Gegenüber dem Vorjahr verringerte sich die Zahl der vorläufigen Schutzmaßnahmen 2020 in Niedersachsen um 9,1% auf 4.506. Entgegen des Rückgangs der Gesamtzahl stiegen vor allem die Zahl der Wohnungsproblemanlässe, der Suchtprobleme des Kindes und Anlässe der Schutzmaßnahmen aufgrund sexueller Gewalt, die mit zusammengenommen 13,0% allerdings nur einen verhältnismäßig kleinen Teil aller Anlässe ausmachten. Hauptanlassgrund war wie in den Jahren zuvor die Überforderung der Eltern beziehungsweise eines Elternteils (45,9%).
Ein weiteres Thema in diesem Kapitel sind Schwangerschaften sehr junger Mütter, die oftmals mit sozialen Problemlagen einhergehen und zu einem hohen Armutsrisiko und dem Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe führen können. Dabei ist seit fast 20 Jahren die Zahl der von Teenagern geborenen Kinder fast kontinuierlich zurückgegangen auf zuletzt 1.231 im Jahr 2020.
Das Kapitel wirft zudem einen Blick auf die Zahl der von Ehescheidungen der Eltern betroffenen Kinder, Familiensachen vor Gericht sowie die Zahl der Leistungsberechtigten nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Hinweise darüber, wie sich das finanzielle Ausmaß sozialer Problemlagen in den Regionen und deren Haushaltsbelastungniederschlägt, soll der Indikator "Doppischer Zuschussbedarf für Soziales und Jugend" geben.
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2022