Familiensachen vor Gericht
In Niedersachsen wurden 2021 in Familiensachen in 57.487 erledigten Verfahren insgesamt 77.007 Verfahrensgegenstände behandelt. Die drei häufigsten Gegenstände waren wie in den Jahren zuvor elterliche Sorge (23,4%), Versorgungsausgleich (20,9%), und Scheidung (20,7%). Während die Gesamtzahl der Verfahrensgegenstände gegenüber dem Jahr 2016 um 14,3% zurückging, stieg die der freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1631b BGB um bald ein Fünftel an (+18,5%) auf 2.592. Darunter fallen Kinder und Jugendliche, die unter anderem als "schwer traumatisiert gelten", als "Systemsprenger" bezeichnet werden, als "Multi-Problem-Kids" oder als "Mehrfachauffällige". Zugenommen haben auch die Verfahrensgegenstände zum Umgangsrecht (auch § 165 FamFG; +10,3%) und zu Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellung gem. § 1 GewSchG (+4,6%).
"Unterhalt für das Kind" war nach Umgangsrecht die fünfthäufigste Familiensache vor Gericht. Die Anzahl nimmt seit Jahren ab, gegenüber 2016 um 26,7% auf 4.655. Diese Zahl kann dabei nur einen ungefähren Hinweis auf das Ausmaß der nicht (vollumfänglich) geleisteten Unterhaltszahlungen der verpflichteten Personen liefern, da von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss, da nicht alle Unterhaltsstreitigkeiten gerichtlich geklärt werden.
Wenn nicht wenigstens der Mindestunterhalt vom anderen Elternteil (rechtzeitig) bezahlt wird, kann ein Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) beantragt werden. (Vgl. www.ms.niedersachsen.de > Jugend & Familie > Familien, Kinder und Jugendliche > Familien > Unterhaltsvorschuss) So sollen Alleinerziehende und ihre Kinder unterstützt und Armutsgefährdung vermieden werden. Die Altersgrenze der Kinder liegt seit Juli 2017 für diese Unterstützungsleistung bei 18 Jahren bei einer unbegrenzten Bezugsdauer.
(Zum Mindestunterhalt: Vgl. § 1 Dritte Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 3. November 2020 (V. v. 12.09.2019 BGBl. I S. 1393 (Nr. 34)); für 2021: Kinder unter 6 Jahre: 393 Euro, Kinder von 6 bis unter 12 Jahre: 451 Euro, Kinder ab 12 Jahre: 528 Euro.)
Im Jahr 2021 waren in Deutschland 833.222 Kinder nach dem Unterhaltsvorschussgesetz leistungsberechtigt. In Niedersachsen waren es mit 87.148 in etwa so viele wie im Vorjahr (87.332). Das bedeutet zugleich, dass 6,5% aller Minderjährigen leistungsberechtigt waren beziehungsweise 43,8% der Kinder von Alleinerziehenden (gemessen an 199.000 unter 18-jährigen Kindern, die 2021 in Alleinerziehendenhaushalten lebten, Quelle: Mikrozensus 2021 Endergebnis). Bei 89,7% der Kinder war der betreuende Elternteil die Mutter.
Definition des Indikators: Die Rechtspflegestatistik der Familiengerichte gibt Hinweise auf das Ausmaß von Problemlagen von Familien und betroffener Kinder insbesondere bei Trennung der Eltern.
Die Statistik liefert Informationen für die Kapazitätsplanung durch die Justizverwaltung und für die Bewertung und Weiterentwicklung des familienrechtlichen Instrumentariums sowie für die Evaluation der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Familien- und Familienprozessrechts.
Methodische Hinweise: Für die Statistik über Familiensachen werden Verfahren bei den Familiengerichten (Amts- und Oberlan-desgerichte) sowie in der Instanz abgeschlossene Verfahren in Familiensachen von den Berichtsstellen an das Statistische Landesamt gemeldet. Es handelt sich um eine Sekundärerhebung auf der Basis der Verwaltungsdaten in den Geschäftsstellen der Familiengerichte. Bei der Interpretation der Daten ist zu berücksichtigen, dass es zu Mehrfachzählungen kommen kann, da ein Verfahren mehrere Verfahrensgegenstände haben kann. So besteht beispielsweise auch die Möglichkeit innerhalb eines Verfahrens, dass dieses an ein anderes Gericht abgeben wird.
Quelle Leistungsberechtigte Unterhaltsvorschutzgesetz: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Geschäftsstatistik zum Unterhaltsvorschussgesetz. Leistungsberechtigte 2021, Stichtag: 31.12. Tabelle 1: Übersicht laufende Fälle, www.daten.bmfsfj.de/daten/daten/unterhaltsvorschussgesetz-uvg-geschaeftsstatistik--127534
Weiterführende Informationen: www.destatis.de > Startseite > Themen > Staat > Justiz und Rechtspflege > Publikationen > Zivil- und Familiengerichte: Familiengerichte - Fachserie 10 Reihe 2.2 - 2021
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2023