Überschuldung und Verbraucherinsolvenzen
Für viele überschuldete Privatpersonen ist ein Insolvenzverfahren unumgänglich, um die eigene finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen. In Niedersachsen gab es 2022 insgesamt 9.538 solcher Verbraucherinsolvenzen. Das waren 3,1% mehr als im Durchschnitt der Jahre 2021/2020. Wie sehr dabei der Anstieg schon auf die hohen Preissteigerungen insbesondere bei Energie, Heizung und Strom im Zuge Russlands Angriffskrieges gegen die Ukraine eine Rolle spielte, ist aus den Daten nicht herauszulesen. Auf 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner kamen in Niedersach-sen insgesamt 11,9 Insolvenzen. Dies war hinter Bremen wie in der Vergangenheit auch, der zweithöchste Länderwert.
Dabei fielen die Verbraucherinsolvenzquoten in den kreisfreien Städten nur in Braunschweig unterdurchschnittlich aus. Regional war die Statistische Region Hannover mit durchschnittlich 12,6 Insolvenzen je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern am stärksten betroffen, fast gleichauf mit 12,4 in der Statistischen Region Braunschweig. Die Statistische Region Weser-Ems wies den niedrigsten Wert auf, obwohl dort alle der dortigen fünf kreisfreien Städte teilweise stark überdurchschnittlich viele Insolvenzen aufwiesen. Die niedersachsenweit meisten Insolvenzen pro Kopf verzeichnete die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven (23,5), der Landkreis Oldenburg die wenigsten (4,7). Die durchschnittlichen Forderungen je Fall betrugen im Land rund 34.000 Euro.
Ob das Verfahren zum Erfolg führte und die Schuldnerinnen und Schuldner von der Restschuld befreit wurden, kann erst am Ende des sieben Jahre dauernden Verfahrens festgestellt werden. (In der Regel dauert die Wohlverhaltensphase sechs Jahre, nach der anschließend eine richterliche Entscheidung zur Restschuld-befreiung zu fällen ist.) Für die 13.054 Privatpersonen, deren Insolvenzverfahren 2012 eröffnet wurde, traf dies bis zum 31.12.2019 auf 86,7% zu.
Hilfe können Schuldnerinnen und Schuldner sich bei 262 niedersächsischen Schuldnerberatungsstellen einholen, die vom Land entsprechend der Fallpauschalen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) finanziert werden. 2021 wurden hier hochgerechnet 84.101 Personen beraten, wovon aber nicht zwangsläufig alle überschuldet waren. Als Hauptauslöser für Überschuldung galten nach den Daten der Schuldnerberatungsstellen Arbeitslosigkeit (23,5%), Erkrankung, Sucht, Unfall (14,7%), unwirtschaftliche Haushaltsführung (12,7%), Trennung, Scheidung oder Tod der Partnerin oder des Partners (12,5%), ein längerfristiges Niedrigeinkommen (8,9%) oder eine gescheiterte Selbstständigkeit (6,9%).
Von den Beratenen waren 41,5% arbeitslos und 22,0% anderweitig nicht erwerbstätig. Mit 49,1% hatten fast die Hälfte der Beratenen keine Berufsausbildung, und etwa ein Drittel (33,6%) waren jünger als 35 Jahre. Die durchschnittliche Schuldenlast lag bei 27.372 Euro. Das entsprach dem 25-fachen der durchschnittlichen monatlichen Ein-künfte der beratenen Personen (Überschuldungsintensität).
Definition des Indikators: Bei natürlichen Personen liegt Überschuldung vor, wenn es der betroffenen Person nicht möglich ist, ihre Schulden innerhalb eines überschaubaren Zeitraums unter Einsatz vorhandenen Vermögens und freien Einkommens zu bezahlen, ohne dabei die eigene Grundsicherung zu gefährden.
Erst wenn keine gütliche Einigung mit den Gläubigerinnen beziehungsweise Gläubigern zu erreichen ist, können sich Schuldnerinnen und Schuldner durch ein Verbraucherinsolvenzverfahren von der Restschuld nach einer Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren befreien. Wenn die Gläubigerinnen beziehungsweise Gläubiger 35% ihrer Forderung mit der Insolvenzeröffnung erhalten, ist dies nach drei Jahren möglich oder nach fünf Jahren, wenn die Verfahrenskosten abgetragen werden.
Methodische Hinweise: Da nicht alle überschuldeten Personen die Dienste von Schuldnerberatungsstellen beanspruchen, ist die Gesamtzahl der überschuldeten Personen oder Haushalte in der Statistik untererfasst.
Weiterführende Informationen: Anhang, www.statistik.niedersachsen.de > Themen > Unternehmen Gewerbeanzeigen, Insolvenzen > Übersicht
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2023