Wirtschaft und Erwerbstätigkeit
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stellt die gesamte Wirtschaftsleistung eines Landes oder einer Region dar. Es ist aber wie das ebenfalls von den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) berechnete verfügbare Einkommen kein direkter Wohlfahrtsindikator, weil das BIP keine Auskunft darüber gibt, wie es verteilt wird. Außerdem umfasst ein komplexer Begriff wie "Wohlfahrt" auch nichtfinanzielle Komponenten der Lebensqualität. So werden zum Beispiel die unentgeltliche Familienarbeit der Pflege, Betreuung und Kindererziehung sowie ehrenamtliche Tätigkeiten im BIP nicht berücksichtigt. Allerdings kann Wirtschaftswachstum auch einen gesellschaftlichen Strukturwandel ermöglichen, Arbeitsplätze sichern sowie neue schaffen und zur Stabilisierung der Sozialsysteme beitragen.
Nachdem die wirtschaftliche Entwicklung 2020 und 2021 von den Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt waren, war sie 2022 bestimmt von den Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und den extremen Energiepreiserhöhun-gen. Für das Gesamtjahr ergab sich für Niedersachsen 2022 beim BIP real ein Plus von 1,1%, was allerdings unterhalb des Bundesdurchschnitts lag.
Der Arbeitsmarkt blieb in diesem Umfeld stabil, die Zahl der Erwerbstätigen (4,17 Millionen) erreichte ebenso wie die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (3,26 Millionen) neue Höchststände bei gleichzeitig auslaufender Kurzarbeit. Die marginale Beschäftigung, die insbesondere Corona-bedingt 2020 deutlich und 2021 weiter zurückgegangen ist und die Zahl der (ausschließlich) Minijobbenden blieb 2022 in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Atypisch Beschäftigte (Teilzeit mit weniger als 21 Wochenstunden, befristet oder nur geringfügig beschäftigt oder als Zeitarbeitnehmerin beziehungsweise -nehmer) machten jedoch weiterhin mit über einem Fünftel einen bedeutenden Teil der Kernerwerbstätigen (Erwerbstätige ohne Auszubildende oder Personen in Bildung) aus. Mittelfristig gegenüber 2017 ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der bei den Frauen in der besonders sorgeintensiven Familienphase überdurchschnittlich hoch ausfiel. Allerdings war unter ihnen der Anteil der atypischen Beschäftigung in der betreffenden Altersgruppe 35 bis unter 45 Jahren auch 2022 noch mit einem Drittel besonders hoch.
Von der guten Arbeitsmarktlage konnten Männer wie auch Frauen profitieren, mit einem jedoch auch im Jahr 2022 weiterhin deutlichen Vorsprung der Männer bei der Erwerbstätigenquote und dem Vollzeitanteil bei den Männern, besonders wenn es sich um Väter und Mütter handelte. "Häufig wird die geringere Erwerbstätigkeit der Frauen als Grund für ihre grö-ßere Sorgearbeitsverantwortung angeführt, umgekehrt ist die Sorgearbeitslast aber auch verantwortlich für die geringere Erwerbstätigkeit […]." (Müller, Kai-Uwe/Samtleben, Claire: Reduktion und partnerschaftliche Aufteilung unbezahlter Sorgearbeit erhöhen Erwerbsbeteiligung von Frauen (=DIW Wochenbericht Nr. 9/2022, DOI: https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-9-1), S. 143.)
In Deutschland betrug der so genannte Gender Care Gap (errechnet mit Daten des SOEP) so auch zwischen Frauen und Männern zwischen 35 und unter 40 Jahren 106%. Abhängig Beschäftigte Frauen bringen demnach doppelt so viel Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf wie abhängig beschäftigte Männer. Ein ähnliches Verhältnis kann auch für Niedersachsen angenommen werden. Die Auswirkungen dazu zeigen sich wiederum bei den Verdiensten im Gender Pay Gap und im Gender Gap Arbeitsmarkt.
Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, HSBN 2023